Historischer Arbeitskreis

Uwe Rosowski und Jörg Blüm

Aus dem Martflecken Vorsfelde mit etwa 2.000 Einwohnern im Jahr 1939 war in den 1950er Jahren eine Kleinstadt geworden, die ihre Einwohnerzahl mehr als verdoppelt hatte. Die Bewohner Vorsfeldes fanden zunächst vor allem als Ackerbürger und Handwerker ihr Auskommen oder arbeiteten in der Kartoffelflocken- oder Konservenfabrik. Ab der zweiten Hälfte der 1940er Jahre gab es mit dem Volkswagenwerk einen weiteren bedeutenden Arbeitgeber in der Region.

Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges flüchteten viele Menschen vor der näher rückenden Front aus den deutschen Gebieten im Osten, etwa aus Pommern, West- und Ostpreußen und aus Schlesien, andere wurden evakuiert. Auch nach Vorsfelde kamen nun Flüchtlinge. Sie mussten untergebracht und versorgt werden, was in der angespannten Situation am Ende des Krieges  hier, aber auch in anderen Orten, nicht ohne Konflikte blieb. Die Beschlagnahmung von Wohnraum zur Unterbringung der Flüchtlinge und die Versorgung der Flüchtlinge mit Lebensmitteln und dem Nötigsten für den täglichen Bedarf, all dies sorgte bald überall in Deutschland für Spannungen zwischen Einheimischen und Flüchtlingen.

Im Februar 1945 kam ein Zug mit Flüchtlingen nach Vorsfelde. Da der Zug aus Mangel an Kohlen seine Fahrt nicht fortsetzen konnte, wurden die Menschen kurzerhand in Vorsfelde und in den umliegenden Dörfern untergebracht. Im Scharfrichterhaus in der Meinestraße wurde eine Gemeinschaftsküche eingerichtet.
Bald zog das Volkswagenwerk Menschen in die Region, insbesondere als nach dem Ende des Krieges dort die Produktion unter britischer Regie begann und Arbeitskräfte gesucht wurden.

Im Jahr 1950 lebten bereits 4.500 Menschen in Vorsfelde.

Der Heimatverein möchte die Zeit des Umbruchs vom Ende der NS-Diktatur bis zum Nachkriegsaufschwung in der Region mit ihren verschiedenen Facetten nachzeichnen. Dazu führen wir Interviews mit Zeitzeuge und recherchieren in Archivdokumenten.

Dr. Ulrike Gutzmann

Wer uns unterstützen, oder etwas dazu beitragen möchte, meldet sich bitte bei:
Jörg Blüm
Am Schwarzkuhlenteiche 11
38448 Wolfsburg
05363-3242
Joerg-bluem@t-online.de

Hier ist ein Ausschnitt aus einem Interview.

Meine Mutter, meine Schwester und ich sind aus Brieg in Schlesien, kurz bevor die Rote Armee die Oder überquerte, mit ganz wenigen Habseligkeiten (Kopfkissen, Besteck, Haus- und Gartenschlüssel, Ausweise, Immobiliendokumente und Geschäftspapiere) geflüchtet. Ein bei uns einquartierter Fliegerhorstkommandant riet uns, mit dem Zug bis Cottbus zu fahren. Cottbus läge kurz vor Berlin und dorthin würden die Russen nie kommen. In Kiekebusch wohne seine Frau und dort könnten wir zunächst unterkommen. Wir haben gehofft, 2 Wochen in Kiekebusch abzuwarten und dann wieder zurück nach Hause zu können.
Als wir in Kiekebusch zwei Tage waren, hörten wir schon das Donnern der näher rückenden Front. Mit dem nächsten nach Westen fahrenden Zug sind wir dann weiter. Der Zug mit seinen Güterwaggons war schon überfüllt; offenbar kam der Zug aus dem Warthegau. In Magdeburg gab es einen schweren Bombenangriff auf die Stadt und der Zug musste auf der Elbbrücke halten. Das war eine ziemlich gefährliche Situation.
Am 11. Oder 12. Februar 1945 ist der Zug in Vorsfelde angekommen. Der Zugführer ließ alle aussteigen. Der Zug hatte wohl keine Kohlen fürs Weiterfahren mehr. Ich war 7 Jahre alt. Wir wurden ausgeladen und von einem Bauern aus Reislingen mit einem Ochsengespann mit Leiterwagen abgeholt und in Reislingen vor der Gaststätte „Zum Deutschen Eck“ ausgeladen. Der nationalsozialistische Bürgermeister hatte dies so angeordnet und uns auch Gastleute auf der Hehlinger Straße am Sandkrug zugewiesen. Wir wurden dort überhaupt nicht freundlich empfangen, aber immerhin verpflegt. Es gab einen mit Eiern aufgewerteten Grießbrei.

Der historische Arbeitskreis beschäftigt sich seit einigen Jahren mit der Entwicklung Vorsfeldes von 1940 bis 1955.

Wie wurde aus dem ländlichen Vorsfelde die Kleinstadt Vorsfelde.
In dieser Zeit wanderten Evakuierte und Flüchtlinge gleichermaßen zu.

Wir führen Interviews mit Zeitzeugen und suchen in Archiven nach Material.
Aus den Interviews und dem Archivmaterial möchten wir die Entwicklung Vorsfeldes in dieser Zeit darstellen.

Wir würden uns freuen, wenn sich noch Zeitzeugen melden und bereit sind mit uns ein Interview zu führen.

Außerdem suchen wir Fotos und Dokumente aus dieser Zeit.

Uns interessieren die Lebensbedingungen der Einheimischen, wie die der Zuwanderer.

Wer ist zu dieser Zeit in Vorsfelde zur Schule gegangen, oder hat dort gearbeitet?

1939 lebten 2102 Menschen in Vorsfelde. Bis 1956 wuchs die Einwohnerzahl auf 5739 Personen an.

Es sind die vielen kleinen Geschichten, die nicht in Vergessenheit geraten dürfen.

Ich zitiere aus einem Interview.

Nein, außer dem Schwimmen, Badeanstalten gab es hier noch nicht. Es war außer dem Mittellandkanal nichts weiter hier.
Es war auch nicht so populär das man irgendwo ins Bad ging. Das gab es noch nicht. Und meine Mutter hat immer gesagt >Schwimmen müsst ihr lernen<
Durch Zufall haben wir erfahren, das im Propsteigebäude ein Herr G. wohnt, der Schwimmunterricht gibt.
Wenn du einmal über den Kanal und zurück schwimmst, hast du den Freischwimmer.

Einige Flüchtlinge wollten nur die Entwicklung in der Sowjetzone abwarten und dann wieder in ihre Heimat zurückkehren. Letztendlich sind sie geblieben.

Auch wegen dem aufstrebenden Volkswagenwerk sind viele aus ganz Deutschland zugewandert.

Diese Menschen mussten versorgt und untergebracht werden. Es ist verständlich, dass dies nicht immer problemlos funktionierte.

Wer uns helfen möchte, oder im >Historischen Arbeitskreis< mitarbeiten möchte, meldet sich bitte bei:

Jörg Blüm


Am Schwarzkuhlenteiche 11

38448 Wolfsburg

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